
Publiziert: März 2016
Bei geopolitischen Konflikten bestehen oftmals vordefinierte mediale Narrative. Was geschieht, wenn ein Schweizer Journalist davon abweicht und über die »falschen« Themen berichtet?
Heute kaum noch vorstellbar, doch mitten im Bosnienkrieg (1992-95) veröffentlichte der damalige Auslandschef der Weltwoche einen Artikel zu Kriegslügen in westlichen Medien.
Daraufhin geschah Folgendes:
“Meine Kollegin und ich gerieten jetzt auch redaktionsintern unter Beschuss … Unser Urteilsvermögen wie unsere moralische Grundhaltung wurden in Zweifel gezogen. …
Bald stimmte fast die gesamte Schweizer Presse in das Geheul gegen den Artikel ein. 16 Osteuropa-Korrespondenten schweizerischer Medienunternehmen schrieben einen betupften (empörten) offenen Brief, in dem sie sich gegen den Vorwurf der Einseitigkeit verwahrten. …
Jetzt kam, nachdem wir zuvor bereits von der Berliner taz und der Süddeutschen Zeitung angegriffen worden waren, auch die Neue Zürcher Zeitung aus den Löchern … Der NZZ-Artikel rief nun auch den Besitzer der Weltwoche auf den Plan …
Schon zuvor hatte sich der Delegierte des Verwaltungsrates unseres Unternehmens von einem Vorstandsmitglied der Süddeutschen Zeitung sagen lassen müssen, ob er eigentlich seine Zeitung ruinieren wolle. Mir wurde von Vorgesetztenseite bedeutet, ich täte gut daran, vorläufig einmal zu Bosnien nichts mehr zu schreiben …
Später musste ich hören, dass in der Zeitungsleitung im Zusammenhang mit der Kontroverse meine vorübergehende Ablösung als Ressortchef Ausland erwogen worden sei.”
Quelle: Hanspeter Born in Klaus Bittermann (ed.): »Serbien muss sterbien. Wahrheit und Lüge im jugoslawischen Bürgerkrieg.« Edition Tiamat, 1994, Seite 74ff. (Zum Buch)
Mehr dazu: Propaganda im Jugoslawienkrieg (SPR, 2019)
Siehe auch
Publiziert: März 2016