
Publiziert: Januar 2023
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Wie Behörden und Medien versuchen, regierungskritische Proteste zu diskreditieren.
Zu den staatssichernden Aufgaben von Polizei und Inlandsgeheimdiensten zählen unter anderem die Manipulation und Diskreditierung regierungskritischer Proteste und Demonstrationen. Hierzu werden üblicherweise sogenannte Agents Provocateurs eingesetzt, die radikale Tendenzen suggerieren oder Ausschreitungen provozieren sollen. Durch solche Manipulationen können staatsnahe Medien sodann die gewünschte öffentliche Wahrnehmung erzeugen.
Die folgende Übersicht zeigt drei gut dokumentierte Beispiele solcher Einsätze im deutschsprachigen Raum, gefolgt von einigen internationalen Beispielen und weiterführenden Informationen.
Beispiel 1: Ukrainekrieg und Energiekrise (September 2022)
Am 25. September 2022 fand in der deutschen Ostsee-Gemeinde Lubmin eine Kundgebung statt, deren Teilnehmer sich für eine friedliche Beilegung des Ukrainekonflikts sowie für die Öffnung der in Lubmin ankommenden Nordstream-Gaspipeline aussprachen. Beide Forderungen waren indes nicht im Sinne der deutschen Bundesregierung und der NATO-Militärallianz.
Wie die folgende Video-Analyse zeigt, wurde die Kundgebung in Lubmin durch einen kurzen Auftritt von drei ukrainischen Mädchen unterbrochen, der augenscheinlich inszeniert und mit dem Fotografen der Deutschen Presse-Agentur (DPA) abgesprochen war. Auch der nachfolgende Auftritt eines aggressiv wirkenden Mannes dürfte Teil dieser Inszenierung gewesen sein.
Als zentrale Nachrichtenagentur sendet die DPA ihr Bildmaterial an die meisten deutschen sowie einige internationale Medien. Interessanterweise zeigte eines der bei der Inszenierung verwendeten Plakate den unaufgeklärten Angriff auf eine Geburtsklinik in Mariupol vom März 2022, bei dem es sich seinerseits um eine ukrainische Inszenierung oder Provokation gehandelt haben könnte.
In diesem Fall wurde also versucht, durch Inszenierung eine friedliche Kundgebung gegen Krieg und für Versorgungssicherheit als eine gewalttätige und kriegsfördernde Kundgebung darzustellen. Einen Tag nach der Kundgebung in Lubmin, am 26. September 2022, wurden die Nordstream-Pipelines durch eine vermutlich von NATO-Staaten koordinierte Unterwasser-Sprengung zerstört.
Video (9 min.): Manipulierte Demostration in Lubmin (25. September 2022; Quelle: NBS)
Bilder aus dem Video:
Beispiel 2: “Angriff auf ein ZDF-Fernsehteam” (Mai 2020)

Am 1. Mai 2020 fand in Berlin eine der ersten deutschen Corona-Demonstrationen statt, deren Teilnehmer sich gegen staatliche Repression und Zwangsmaßnahmen aussprachen. Am Rande dieser Demonstration kam es zu einem gewalttätigen Zwischenfall, bei dem laut Medienberichten Corona-Demonstranten ein Team der ZDF Heute-Show angriffen.
Beides war falsch: Der Angriff erfolgte nicht durch Demonstranten, sondern durch einen schwarz vermummten Schlägertrupp (“Antifa”), und er galt nicht den ZDF-Mitarbeitern (die unversehrt blieben), sondern den Ton- und Videotechnikern einer externen Produktionsfirma.
Einen Tag vor der Demonstration erwähnte ein Kolumnist des damals wohl einflussreichsten regierungskritischen Mediums in Deutschland, KenFM, die ZDF Heute-Show plane einen negativen TV-Beitrag über die anstehende Corona-Demonstration. Traditionelle Medien argumentierten deshalb, KenFM habe womöglich den Angriff auf das angebliche “ZDF-Team” ausgelöst.
Doch auch das war nicht richtig: Vielmehr arbeitete die Produktionsfirma damals sowohl für das ZDF als auch für KenFM, und auf diese Weise erfuhr KenFM vom geplanten ZDF-Dreh. Damit stellt sich die brisante Frage, wer in der Lage war, diese Verbindung binnen eines Tages zu erkennen und einen Schlägertrupp auf die Mitarbeiter der Produktionsfirma anzusetzen.
In der Folge kündigte die Produktionsfirma KenFM den Mietvertrag für das Aufnahmestudio. Hinzu kamen die Löschung des YouTube-Kanals mit einer halben Million Abonnenten, ein Verfahren durch die Landesmedienanstalt wegen angeblicher “Fake News”, die Veröffentlichung der Privatanschrift des KenFM-Gründers durch Spiegel-TV, sowie Hackerangriffe auf die KenFM-Website.
Angesichts dieser Umstände entschied sich der Gründer von KenFM, das Onlineportal abzuschalten, Deutschland zu verlassen und ein neues Medienportal aufzubauen.
Erst knapp drei Jahre nach dem Vorfall vom Mai 2020, im Januar 2023, wurde Anklage gegen vier Tatverdächtige erhoben – Ausgang ungewiss. Die Sache wurde als “Staatsschutz-Angelegenheit” behandelt und das Motiv für den Überfall war weiterhin “unklar”. Medienberichte sprachen indes erneut von einem Angriff auf ein angebliches “ZDF-Team”.
Ein damals anwesender Journalist berichtete zudem von einer “eigenartigen Beobachtung”: Eine “Gruppe junger sportlicher Leute” mit “Antifa-Emblemen” sei an einer Polizeiabsperrung zunächst aufgehalten worden, doch “nach einem kurzen Gespräch zwischen zwei Beamten durfte die Gruppe passieren. Mein Kollege schnappte die Worte auf: ,Die dürfen durch. Das sind unsere Leute.'”
In diesem Fall wurde also versucht, den Angriff eines regierungskonformen Schlägertrupps auf ein regierungskritisches Onlinemedium (bzw. dessen Produktionsfirma) darzustellen als einen Angriff regierungskritischer Demonstranten auf regierungskonforme Journalisten, ausgelöst angeblich durch eben jenes kritische Onlinemedium, das das eigentliche Ziel des Angriffs war.
Beispiel 3: “Sturm auf den Reichstag” (August 2020)

Als Reaktion auf die staatliche Repression im Frühjahr 2020 bildeten sich in verschiedenen Staaten Bürgerrechts- und Protestbewegungen. Im Sommer 2020 gab es in Deutschland die wohl stärkste derartige Bewegung. Deutsche Behörden reagierten darauf teilweise mit Subversion.
Im August 2020 organisierten Demonstranten zwei Großkundgebungen in der Hauptstadt Berlin. Die erste (am 1. August) zog mehre tausend Teilnehmer an, während die zweite (am 29. August), bei der Robert F. Kennedy Junior als Redner auftrat, mehrere zehntausend Teilnehmer angezogen haben dürfte (siehe Fotos unten).
Am Tag der zweiten Kundgebung genehmigten die Berliner Behörden eine parallele Kundgebung vor dem nahe gelegenen Deutschen Reichstagsgebäude, die von einem berüchtigten rechtsnationalen Provokateur organisiert wurde, der zuvor bereits mehrere “Stürme auf den Reichstag” veranstaltet hatte (d.h. ein sogenannter “V-Mann” oder aber ein “nützlicher Idiot”).
Während der Kundgebungen kamen nun Provokateure zum Einsatz, die als Demonstranten und Ordner getarnt waren und einige ahnungslose Teilnehmer von der großen offiziellen Kundgebung zu der kleinen fingierten Kundgebung vor dem Reichstag lotsten (siehe Video).
Sodann verkündeten die Provokateure über ein Megaphon, dass US-Präsident Donald Trump nach Berlin gekommen sei, um “Deutschland zu befreien”, dass die Polizei bereits die Seiten gewechselt habe und dass die Demonstranten nun den Reichstag betreten sollten (die Provokateure bezogen sich dabei auf die sog. “Reichsbürger-Ideologie” und die “Q-Anon-Bewegung” aus den USA).
Einige der Demonstranten stiegen sodann die Treppe vor dem Reichstag hinauf, wo sie von drei Polizisten empfangen wurden, deren Anführer sich später als Schauspieler einer TV-Polizeiserie herausstellte. Die Polizei behauptete danach, von dem Vorfall überrascht worden zu sein, doch Fotos zeigten, dass sie die gesamte Aktion von einem nahe gelegenen Dach aus beobachtete und filmte.
Die Teilnehmer der kleinen fingierten Kundgebung drangen nicht in den Reichstag ein, aber die Aufnahmen dieser kurzen Episode wurden von deutschen und internationalen Medien genutzt, um die zahlreichen Teilnehmer der großen Kundgebung als “Bedrohung der Demokratie” darzustellen.
In der Folge wurde die deutsche Corona-Protestbewegung vom Inlandsgeheimdienst überwacht, während die drei Polizisten, die “die Demokratie verteidigt” hatten, vom deutschen Bundespräsidenten – ein ehemaliger Geheimdienstkoordinator – in einer Zeremonie geehrt wurden.
Eine Organisatorin der manipulierten Kundgebung räumte später ein, dass es eine “Absprache mit der Polizei” gegeben habe (siehe Video unten). Die erfolgreiche deutsche Operation vom August 2020 diente sodann als Vorlage für die angebliche “Erstürmung des US-Kapitols”, die am 6. Januar 2021 augenscheinlich vom amerikanischen FBI mit zahlreichen Provokateuren inszeniert wurde.
Siehe auch:
- “Reichsbürger und Reichstag: Eine Inszenierung?” (Wikihausen #43, 09/2020)
- “Sturm auf den Reichstag – Chronik einer Psy-Op” (Aya Velázquez, 12/2022)
- “Die Rattenfänger von Berlin” (Aachen Doku, Video, 7 Min., Oktober 2020)
Bilder: Der inszenierte “Sturm auf den Reichstag”.
Video (1 min.): Provokateure und “Absprachen mit der Polizei” (mehr).
Agents Provocateurs in der Schweiz
Auch in der Schweiz will die Polizei während einer Corona-Kundgebung im September 2021 einen “Sturm auf das Bundeshaus” in Bern verhindert haben. Video-Analysen zeigten indes, dass es sich bei den Personen, die am extra aufgestellten Gitter vor dem Bundeshaus “rüttelten”, entgegen der Darstellung von Polizei und Medien nicht um Teilnehmer der Corona-Kundgebung handelte, sondern vermutlich um Gegendemonstranten oder um Provokateure.
Im September 2021 nahm zudem ein Filmteam des deutschen ZDF an einer anderen Schweizer Corona-Demonstration teil, die im Vorfeld einer Abstimmung zu “Impfpässen” stattfand. Obschon auch diese Demonstration friedlich verlief, entschloss sich eine Teilnehmerin, das Filmteam des ZDF zu bedrängen. Mehrere Schweizer Medien berichteten sodann über den Vorfall.
Später wurde bekannt, dass sich ausgerechnet diese Teilnehmerin zuvor in diverse Chats der Protestbewegung einloggte und dort mit radikalen Parolen auffiel. Es ist mithin denkbar, dass es sich auch bei dieser Teilnehmerin um eine Provokateurin handelte, die sowohl im Internet als auch auf der Straße aktiv war, und die prompt mit dem deutschen TV-Team zusammenstieß (siehe Video).
Siehe auch: Parlamentsstürme weltweit, 2020-2022 (Velázquez, 12/2022)
Bild: Das ZDF an einer Schweizer Corona-Demonstration (ZDF/Blick)

Proteste gegen Globalisierung
Besondere Bedeutung erlangte der moderne Einsatz von Provokateuren im Zusammenhang mit den weltweiten Protesten gegen Globalisierungs- und Freihandelsverträge seit Ende der 1990er-Jahre. Siehe dazu insbesondere die WDR-Dokumentation “Gipfelstürmer” zu den blutigen Protesten gegen den G8-Gipfel von 2001 in Genua sowie die Analyse zum G20-Gipfel von 2010 in Toronto.
Wichtige historische Vorläufer dieser Einsätze waren insbesondere das Counter Intelligence Program (CoIntelPro) des FBI und die Operation CHAOS der CIA, mit denen versucht wurde, die Bürgerrechts- und die Antikriegs-Bewegung sowie entsprechende regierungskritische Medien in den 1960er- und 1970er-Jahren zu unterwandern und zu zersetzen.
Video: Gipfelstürmer – Die blutigen Tage von Genua (45 Minuten, WDR, 2002)
Radikale Gruppierungen: Genuin oder Instrument?
Wie die obigen Beispiele zeigen, können Behörden und staatsnahe Medien sowohl “linksradikale” Gruppierungen (“Schwarzer Block”, “Antifa”, “Atomgegner”) als auch “rechtsradikale” Gruppierungen (“Reichsbürger”, “Neonazis”, “Q Anon”) als Provokateure nutzen, um legitime politische Proteste zu manipulieren und zu diskreditieren. Tatsächlich fungieren radikale oder sogar terroristische Gruppierungen daher oftmals als Instrumente von Geheimdiensten.
Siehe hierzu beispielsweise die Dokumentationen “V-Mann-Land” (ARD, 2015) und “Brandstifter im Staatsauftrag” (ZDF, 2013) sowie den NDR-Beitrag von 1986 zu einem angeblichen RAF-Anschlag von 1978 (“Celler Loch”) und ähnlichen staatlichen oder unaufgeklärten Terroranschlägen.
In der Schweiz kam es in den 1970er- und 1980er-Jahren zu professionellen Sprengstoffanschlägen auf Energie-Infrastruktur, die radikalen Atomkraft-Gegnern angelastet, jedoch nie aufgeklärt wurden. Einige Historiker vermuten deshalb, dass diese Anschläge in Wirklichkeit von einer militärischen Spezialeinheit (P-26) verübt wurden. Dem Schweizer Geheimdienst gelang es damals sogar, einen Armee-Offizier als Geschäftsführer des harmlosen Schweizer Solarverbandes zu installieren.
Bild: Das “Celler Loch” (Tagesthemen, 1986)

Anhang
Weitere Beispiele für Agents Provocateurs bei Protesten.
April 2021)
Video 1: Ein Agent Provocateur der Berliner Polizei an einer Corona-Demonstration (2021)
Video 2: Belgische Provokateure passieren Polizei-Linie mit rotem Pass (Brüssel,Video 3: Provokateure und Polizei in den Niederlanden (Januar 2021)
Juli 2020)
Bild 1: Provokateure oder zivile Einheiten an einem Bauernprotest in Den Haag (
Quebec, 2007)
Bild 2: Provokateure tragen dieselben Schuhe wie die Polizei (
Mai 2020)
Bild 3: Provokateur mit verdeckter Funk-Ausrüstung in Frankfurt (