Der Absturz von Swissair 111

Flugroute von Swissair 111 (Quelle: SRF)

Publiziert: Dezember 2018
Sprachen: Deutsch, Englisch

September 1998: Was geschah wirklich mit Swissair-Flug 111?

Es ist die größte Katastrophe der Schweizer Luftfahrtgeschichte: Am 2. September 1998 stürzte der Swissair-Flug 111 von New York nach Genf mit 229 Menschen an Bord beim kanadischen Halifax in den Atlantik. Die Absturzursache wurde bis heute nicht überzeugend aufgeklärt. Doch für Schweizer Medien ist der Fall ein Tabu.

Die kanadische Transportsicherheitsbehörde TSB kam in ihrem Untersuchungsbericht von 2003 zum Ergebnis, dass vermutlich ein Kurzschluss in der Verkabelung des Unterhaltungssystems zu einem Brand im Cockpit geführt habe, der das Flugzeug binnen weniger Minuten abstürzen ließ.

Doch 2011 trat ein an der Untersuchung beteiligter Forensiker der kanadischen Bundespolizei RCMP als Whistleblower an die Öffentlichkeit und präsentierte neue Fakten, die den Untersuchungsbericht infrage stellten und Sabotage bzw. einen Anschlag als Absturzursache vermuten ließen. Sechs Jahre später publizierte er seine Erkenntnisse sowie Original­dokumente in Buchform.

Die folgende Auflistung nennt seine Hauptaussagen erstmals in deutscher Sprache:

  1. Bereits nach wenigen Tagen und trotz erster Hinweise auf ein mögliches Verbrechen wurde von der Untersuchungsleitung entschieden, den Absturz ausschließlich als Unfall zu behandeln und keine kriminalistische Untersuchung einzuleiten.
  2. Ein externer Metallexperte, der mit der Untersuchung der Brandstelle beauftragt wurde, fand ungewöhnlich hohe Magnesiumrückstände, die auf die Verwendung eines Hoch­temperatur-Brand­satzes aus Thermit hindeuteten. Der Experte musste sein Gutachten jedoch auf Geheiß der Unter­suchungs­leitung mehrmals umschreiben, bis alle Hinweise auf einen möglichen Brandsatz entfernt waren. Im Untersuchungsbericht wurde das Magnesium nicht mehr erwähnt.
  3. Der Brand-Experte der amerikanischen Luftfahrtbehörde FAA sowie weitere Fachleute vermuteten aufgrund des Schadensbildes ebenfalls die Verwendung eines Brandsatzes.
  4. Testversuche, die belegen sollten, dass allein das brennende Isoliermaterial den Aluminium­rahmen des Flugzeuges schmelzen konnte, mussten auf Anweisung der Untersuchungs­leitung solange angepasst werden, bis gänzlich unrealistische Bedingungen erreicht waren.
  5. Ein geschmolzenes Metallstück aus dem Flugzeug wurde während der Untersuchung entsorgt.
  6. Die aufgezeichneten Stimmdaten deuteten nicht auf einen Ausfall des Unterhaltungssystems hin, wie er bei einem Kurzschluss zu erwarten wäre. Die Untersuchung der Verkabelung deutete vielmehr darauf hin, dass die Fehlstellen eine Folge und nicht die Ursache des Feuers waren.
  7. Die Überprüfung der Flugzeugwartung ergab, dass bei der Reinigung und Abfertigung der Maschine am Flughafen in New York ein neuer Mitarbeiter unter nachweislich falscher Identität anwesend war, der danach nicht mehr zur Arbeit erschien.
  8. Gemäß Frachtdokumenten sollte das Flugzeug Diamanten im Versicherungswert von 300 Millionen Dollar transportieren, doch bei der Bergung des Wracks waren sie unauffindbar.
  9. Mangels Kriminaluntersuchung wurde kein ausführliches Profiling der Passagiere durchgeführt, obschon einige exponierte Personen auf dem Flug von New York nach Genf an Bord waren.
  10. Der Whistleblower wurde während der Untersuchung von seinen Vorgesetzten aufgefordert, seine polizeilichen Untersuchungsprotokolle zu manipulieren.

Das kanadische Fernsehen CBC und das Schweizer Fernsehen SRF produzierten 2011 einen gemeinsamen Dokumentarfilm, in dem der Whistleblower und der Metallexperte erstmals zu Wort kamen. Der zuständige SRF-Journalist sprach im Vorfeld zudem mit zwei renommierten europäischen Flugunfall-Experten, die den offiziellen Untersuchungsbericht ebenfalls kritisierten.

Dennoch entschied sich das Schweizer Fernsehen überraschend gegen die Ausstrahlung der Doku: Man wolle keine Spekulationen verbreiten, so der damalige Chefredakteur. Andere Schweizer Medien versuchten den kanadischen Ermittler als »Einzelkämpfer« oder »Verschwörungs­theoretiker« darzustellen. Die damalige Sprecherin der Swissair, die Einblick in die umfangreichen Dokumente des Whistleblowers hatte, zeigte sich hingegen schockiert: »Was er sagte, war unantastbar.«

Der Grund für das bis heute anhaltende Desinteresse der Schweizer Medien ist nicht offensichtlich. Die Jahre von 1996 bis 1999 waren für die Schweizer Außenpolitik eine besonders schwierige Zeit. Auch der – ebenfalls unaufgeklärte – Luxor-Anschlag vom November 1997 auf eine hauptsächlich schweizerische Reisegruppe fiel in diese Phase.

Und drei Jahre nach Halifax ereigneten sich die Anschläge vom 11. September 2001, bei denen, laut Kritikern der offiziellen Darstellung, ebenfalls Thermit zum Einsatz gekommen sein könnte.

Video: Swissair 111 – The Untold Story (CBC, 2011, 40 Min.)

Weiterführende Literatur


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